Corona, Technik, Tücken….

Das Blitzlicht aus dem Landtag

Eine Kolumne von Kerstin Köditz

An einer Wand meines Büros hängt eine sehr alte Postkarte mit einer Karikatur. Auf einem  Bürostuhl steht ein offenkundig seeehr aufgebrachter Mann und richtet einen Revolver auf einen Computer-Monitor, der in roter Schrift die Worte „Zugriff verweigert!“ zeigt, und schreit in dessen Richtung: „Okay, du machst jetzt genau das, was ich sage!“ Meine langjährige Erfahrung mit den Tücken der Technik verrät mir, dass der unwillige Computer trotz der Drohung gewinnen wird. Mensch gegen Technik: die Technik gewinnt immer.

Als ich im Herbst 2001 in den Landtag nachrückte, fasste der Mailserver meines PC gerade einmal 20 Megabyte. Das erschien mir sehr viel. Heute ist es keineswegs ungewöhnlich, dass eine einzige Mail einschließlich der Anlagen 20 MB überschreitet. Das damals noch allgegenwärtige FAX, ist längst ungebräuchlich. Es ist technisch ebenso überholt wie der Fernschreiber vergangener Tage, an den sich nur noch die Betagteren unter uns erinnern.

Das ist einfach der Lauf der Zeit und auch der Technik. Als die ersten PCs in den Büros Einzug hielten, kamen schnell – die natürlich sehr verständlichen – Befürchtungen auf, diese würden zu einem immensen Arbeitsplatzabbau führen. Das war glücklicherweise keineswegs so. Und die Arbeit für die Beschäftigten ist beileibe nicht weniger geworden. Im Gegenteil. Alle technischen Hilfsmittel haben nichts daran geändert, dass der Büro-Stress immer mehr zunimmt.

Die Covid-19-Pandemie, die uns jetzt seit über einem halben Jahr begleitet und aller Voraussicht nach noch geraume Zeit begleiten wird, hat die Bedeutung des Faktors Technik in der politischen Arbeit nochmals drastisch erhöht. Nicht dass es Missverständnisse gibt: Anwendungen wie WhatsApp oder Instagram haben in meinem Büro weiterhin Hausverbot. Sie mögen im persönlichen Bereich nützlich oder angenehm sein, für die Arbeit sind sie schlicht überflüssig. Twitter dagegen muss regelmäßig mehrfach am Tag abgerufen und mit eigenen Nachrichten gefüttert werden. Corona führt dazu, dass die Menschen viel mehr Zeit zuhause verbringen und entsprechend stärker auf solche Nachrichtenmöglichkeiten zugreifen. Das nimmt zusätzliche Zeit in Anspruch, braucht Energie, brauchte Kreativität und Ideen. Wenn es klappt, finden linke Lösungsansätze so besser und schneller den Weg zu den Menschen.

Corona wird auch dazu führen, dass in diesem Jahr die Summe meiner gefahrenen Kilometer mit dem Auto drastisch gegenüber dem Vorjahr reduziert sein wird. Das spart Zeit und Energie, schont zugleich die Umwelt. Statt 50.000 km wie im Vorjahr werden es in diesem voraussichtlich „nur“ 20.000 sein. Für Hotelübernachtungen gilt dasselbe. Im vergangenen Jahr habe ich durchschnittlich eine Woche im Monat in fremden Betten verbracht. In diesem Jahr tendiert diese Zahl gen Null.

Die Politik wäre ein leichteres Geschäft, wenn die dadurch gesparte Zeit tatsächlich eingespart würde. Ein typischer Fall von „Denkste“! An die Stelle der persönlichen Treffen ist eine Unzahl von Telefon- und Videokonferenzen getreten. Ein Problem ist in einem Arbeitskreis aufgetreten? Was ist zu tun? Wie müssen wir da aktiv werden? Da machen wir erst einmal eine Telefonkonferenz und besprechen das schnell. Die Reaktionsmöglichkeiten verbessern sich dadurch natürlich erheblich. Ich weiß das durchaus zu schätzen.

Andererseits bin ich inzwischen in einem Alter, in dem Menschen gemeinhin nicht mehr als unbedingt technikaffin gelten. Videokonferenzen? Das ist erst einmal etwas Neues. Oh, der Monitor an meinem Büro-Computer hat gar keine Kamera? Der Laptop auch nicht? Aber das ist ja noch das iPhone. Glück gehabt. Inzwischen sind dort gleich vier verschiedene Apps installiert, da (fast) alle Veranstalter solcher Videokonferenzen mit einem anderen System arbeiten. Gelöst sind die Probleme damit trotzdem nicht. Wer nicht auf dem aktuellen Stand der Technik ist, guckt im Wortsinne in die Röhre.

Corona hat auch in dieser Hinsicht das Leben verändert. Das geht nicht nur mir so. Die vielen tausend Beschäftigten, die sich im Home-Office befinden, kann alle ein Lied davon singen. Geregelte Arbeitszeit? Gibt es für sie nicht mehr. Ich wage eine Prognose: Genau diese negativen Aspekte werden nach dem Ende der Krise nicht verschwunden sein. Im Gegenteil.